Mehr Wissenschaft in der Region und in der Wirtschaft: Dafür plädiert Thüringens Wissenschaftsstaatssekretär Carsten Feller. Wir sprachen mit dem SPD-Politiker aus Meiningen über Zukunftsvisionen bei Wasserstoff und Hochschulen.
Zur Person
Carsten Feller ist der für Wissenschaft und Hochschulen zuständige Staatssekretär von Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee. Der 53-Jährige gebürtige Nordhesse wohnt in Meiningen und ist - nach dem Rückzug von Innenstaatssekretär Uwe Höhn - der einzige Südthüringer in der Spitze der Landesregierung. Feller kommt aus dem Hochschulmanagement, er war Referatsleiter an der FH Schmalkalden, Verwaltungschef der Hochschule Fulda und zuletzt Spitzenbeamter in den Wissenschaftsministerien in Sachsen und Brandenburg. Feller ist SPD-Mitglied und tritt für den nächsten Landesvorstand an.
Wasserstoff
... spielt bei den Erneuerbaren Energien sowohl als Speicher (in Form von Gas) als auch als Quelle (etwa für Brennstoffzellen-Antriebe) eine Rolle. Hauptvorteil: Keine klimaschädlichen Emissionen bei der Verbrennung. Hauptnachteil: Die Erzeugung ist kompliziert, energieintensiv und verlustbehaftet, lohnt sich zurzeit nur bei Nutzung überschüssiger Energiespitzen, etwa in der Großindustrie oder der Windkraft. Auch Transport und Lagerung sind ein Problem. Daher gibt es viel Forschungsbedarf, bevor flächendeckende Anwendungen kommen können. er
Herr Feller, Südthüringen geht bei Erneuerbaren Energien eher selten voran. Nun gibt es mit dem Wasserstoffzug im Schwarzatal und der länderübergreifenden Wasserstoff-Projektregion Sonneberg/Neustadt hier gleich zwei Leuchttürme. Gibt es bei uns überhaupt Anwendungen und Erzeugungsmöglichkeiten ?
Genau bei dieser Frage wollen wir ansetzen, da besteht auch Forschungsbedarf. Etwa in der energieintensiven Industrie, bei Stahl, Glas, Zement: Dort kann man konventionelle Energie durch Wasserstoff substituieren, ohne dass man das Problem des Transports in der Fläche hat. Unser Ministerium unterstützt zwei Initiativen: Ein Anwendungszentrum am Erfurter Kreuz sowie ein Transferzentrum in Sonneberg, wo ja bereits ein Netzwerk aus Unternehmen, Anwendern, Forschern entstanden ist, mit viel Potenzial.
Im geplanten Thüringer Konjunkturpaket haben wir für Sonneberg bis zu drei Millionen Euro für die kommenden drei Jahre vorgesehen, das entwickeln wir nun gemeinsam mit den Akteuren vor Ort. Das passt zu Thüringen mit seiner kleinteiligen Wirtschaftsstruktur, weil man mit kleineren Pilotanwendungen eine ganze Menge umsetzen kann.
Drei Millionen für Sonneberg klingt erst mal nicht so üppig. Kann man damit was bewegen?
Es sind nicht nur unsere drei Millionen, es kommen sechs bis sieben bis acht Millionen Euro aus dem vom Bund geförderten "H2Well"-Projekt hinzu. Da ist schon eine Menge Geld da, um die Projekte so weit zu bringen, dass Unternehmen irgendwann wirklich in die Produktion einsteigen. Es ist halt ein langer Weg von der wissenschaftlichen Idee über das Pilotvorhaben bis zur Umsetzung, etwa bei der Wasserstoffproduktion durch Elektrolyse in Kläranlagen, was ja in Sonneberg getestet wird.
Die Wasserstofftechnologie ist ja nicht ganz unumstritten, viele halten sie für wenig effizient. Zumal hier in Südthüringen, wo es weder Massen an Windenergie noch Großindustrie gibt mit ihren für die H2-Erzeugung nutzbaren Überschüssen …
Das sehe ich anders, Wasserstoff ist eine Schüsseltechnologie für die Energiewende, vor allem wegen ihrer Fähigkeit, Energie zu speichern, günstiger als etwa Pumpspeicherwerke. Warum sollte man überschüssigen Windstrom nicht hierzulande umwandeln statt nur an der Küste? Wasserstoff schließt eine Lücke. Nicht unbedingt im Individualverkehr, aber in der energieintensiven Industrie oder auch im Schienenverkehr, siehe den Wasserstoffzug.
Solche Projekte brauchen Wissenschaftler, auch vor Ort. Die gibt es an den Hochschulen in Ilmenau und Schmalkalden. Aber in Suhl, der größten Stadt Südthüringens, vermisst man eine höhere Bildungseinrichtung. Man wünschte sich Kooperationen, etwa mit der FH . Sind das nur Träume?
Träume und Visionen braucht man, auch in Suhl. Die Idee, einen Hochschulstandort neu zu gründen, überzeugt uns aber nicht. Wir haben mit unseren zwei Südthüringer Standorten, Ilmenau und Schmalkalden, ohnehin ein gewisses Problem, was den Studierendennachwuchs anbelangt, die Jahrgänge sind zuletzt kleiner geworden. Es ist für beide Hochschulen eine Herausforderung, die Studierendenzahlen und damit die Substanz zu halten. Deshalb unterstützen wir das auch. Wenn man nun zwischen Schmalkalden und Ilmenau noch einen Standort aufbauen will, fehlt mir die Fantasie, woher die Studierenden kommen sollten.
Aber könnte mehr Bildung und Wissenschaft nicht auch den Wirtschaftsstandort Suhl/Zella-Mehlis aufwerten?
Es kann nicht nur um Statusfragen einer Stadt gehen. Aber worum geht’s denn für Suhl und die Region? Die Region braucht Absolventen, Fachkräfte. Dafür sind die Hochschulen da. Sie müssen mehr als bisher Innovations-Motor für die kleinen und mittleren Unternehmen sein, mit ihnen zusammenarbeiten. Und ich wünsche mir eine stärkere Rolle der Hochschule in der Gesellschaft. Gerade hier können viele Diskussionen ein bisschen mehr Wissenschaft gut gebrauchen, nicht nur beim Thema Klima. Die Hochschulen könnten da insgesamt mehr Beiträge leisten mit ihrer Fachkompetenz.
Gerade an Standorten ohne Hochschule ist das aber schwierig, ohne Akteure vor Ort …
Was alle diese Aspekte betrifft, könnte ich mir Kontaktstellen der Hochschulen vorstellen, in Suhl, Hildburghausen oder anderen Orten, mit Ansprechpartnern vor Ort. Wir haben ja die wirtschaftsnahen Forschungseinrichtungen wie die GFE Schmalkalden, durchaus eine Spezialität Thüringens. Ähnliche Initiativen von Hochschulen und Unternehmen kann man sich auch an kleineren Orten vorstellen. In Sonneberg ist ja so etwas im Bereich Wasserstoff angedacht.
Was die Hochschulen insgesamt betrifft, hat der Landtag kürzlich ein starkes Signal gesetzt, indem er den Hochschulen 2,7 Milliarden Euro auf fünf Jahre garantiert hat, einschließlich jährlicher Etatsteigerungen.
Stimmt denn die Qualität aus Sicht der Studenten? Die Konkurrenz schläft nicht, Hochschulen aus Fulda oder Würzburg machen Werbung in Thüringen …
... und die Thüringer Hochschulen sicherlich in Hessen oder Bayern. Die sinkenden Studienanfängerzahlen führen zu mehr Wettbewerb unter den Hochschulen. Das ist ja etwas Gutes, denn dann achtet man mehr auf die Qualität. Das wichtigste ist eine sehr gute Lehre, die sich dann auch in den Rankings bemerkbar macht. Studenten achten bei der Studienplatzwahl darauf. Wie viele Absolventen kommen durch, wie ist die Betreuung, das sind wichtige Kriterien. Das sehe ich auch gerade bei meinem Sohn, der ein Studium beginnt. Auf diese Qualität muss man dann auch hinweisen, also Studierendenmarketing betreiben, jeweils bezogen auf die einzelnen Hochschulen. Auch das unterstützen wir mit zusätzlichen Mitteln.
Die TU Ilmenau steht da ja traditionell gut da, sie hat immer wieder mit guten Ranking-Platzierungen auf sich aufmerksam gemacht. Zuletzt hört man aber weniger davon. Geht da nicht noch mehr?
Das ist vielleicht auch eine Frage der Wahrnehmung. Rektor Peter Scharff war 16 Jahre im Amt, es gab eine sehr lange Phase der Kontinuität. Und jetzt braucht man in vielen Bereichen eine strategische Neuaufstellung. Nicht nur beim Studium, auch etwa in der Forschung. Die TU Ilmenau ist eine starke Forschungs-Universität, aber in einigen wichtigen Bereichen aktuell nicht gut genug aufgestellt, um wirklich großformatige Sonderforschungsbereiche zu bekommen. Da könnte man sich mehr vorstellen. Diese Diskussion wird ja auch in Ilmenau intensiv geführt.
Interview: Markus Ermert, Walter Hörmann
September 05, 2020 at 01:10PM
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Staatssekretär Feller: "Mehr Wissenschaft und Wasserstoff wagen" - inSüdthüringen.de
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