Bei uns profitiert die Sprachentwicklung von dem typischen mütterlichen Singsang. Nun haben Forscher das Phänomen der „Babysprache“ auch bei einer Fledermausart festgestellt: Die Weibchen der Großen Sackflügelfledermaus verändern demnach ebenfalls den Klang ihrer Lautäußerungen, je nachdem, ob sie sich an Jungtiere oder Erwachsene richten. Bei diesen sozial lebenden Tieren mit ihrer komplexen Lautkommunikation hat dieses Verhalten möglicherweise eine ähnliche Funktion wie beim Menschen, sagen die Forscher.
Hohe Stimmlage und langsame, überdeutliche Aussprache: Wenn Menschen mit Kleinkindern sprechen, verändern sie ihr Kommunikationsverhalten in charakteristischer Weise. Besonders bei Müttern ist diese Reaktion im Umgang mit ihren Sprösslingen stark ausgeprägt: Sie sprechen in der Babysprache, die in der englischen Fachsprache auch als „Motherese“ bezeichnet wird. Eine Studie von 2017 hat gezeigt, dass Frauen bei diesem Phänomen unbewusst die charakteristische Klangfarbe ihrer Stimme verändern – unabhängig davon, welcher Sprachgruppe sie angehören. Welche Funktion die veränderte Sprechweise hat, haben Studien ebenfalls bereits verdeutlicht: Die Babysprache dient demnach der Sprachentwicklung von Kleinkindern. Durch die akustischen Merkmale können sie demnach einfacher erkennen, wo ein Wort anfängt und wo es aufhört. Außerdem führt die spezielle Klangfarbe und Tonlage der Babysprache zu einer gesteigerten Aufmerksamkeit beim Kind, legen Untersuchungen nahe.
Fledermaus-Mütter belauscht
Inwieweit es Parallelen zu diesem Phänomen im Tierreich gibt, ist bislang wenig untersucht, berichten Ahana Fernandez vom Museums für Naturkunde Berlin und Mirjam Knörnschild vom Smithsonian Tropical Research Institute in Panama City. Es gibt zwar zahlreiche Beispiele für spezielle Laute, die Muttertiere bei der Kommunikation mit ihren Jungen einsetzten, doch dabei handelt es sich nicht um ein mit dem Motherese vergleichbares Konzept. Hinweise auf eine Anpassung der normalen Vokalisation im Umgang mit Jungtieren gab es bisher nur bei Zebrafinken und Totenkopfäffchen. Nun haben die beiden Wissenschaftlerinnen das Phänomen bei Untersuchungen der komplexen Kommunikation der Großen Sackflügelfledermaus (Saccopteryx bilineata) festgestellt. Dabei handelt es sich um eine vergleichsweise gut untersuchte Fledermausart, die in Süd- und Mittelamerika vorkommt.
Im Rahmen der Studie untersuchten die Forscherinnen Lautäußerungen von erwachsenen Tieren aus Fledermauskolonien in Costa Rica und Panama. Sie erfassten dabei, ob die Kommunikation von Weibchen an ihre Jungtiere oder an andere erwachsene Artgenossen gerichtet war. Zur Untersuchung der Lautmerkmale verwendeten sie eine Analysetechnik, die ursprünglich für die menschliche Stimmerkennung entwickelt wurde, um akustische Besonderheiten einer Stimme herauszuarbeiten. Diese umfassen sowohl Parameter wie die Tonhöhe, als auch die Klangfarbe einer Stimme.
Wie die Wissenschaftlerinnen berichten, zeigten die akustischen Analysen der Kommunikationslaute der weiblichen Fledermäuse, dass sich der Klang ihrer Stimme stets in charakteristischer Weise veränderte, je nachdem, ob sie sich an ihre Jungtiere oder an erwachsene Artgenossen richteten. Dabei handelt es sich somit um eine auffällige Ähnlichkeit zu dem bekannten Aspekt des Motherese beim Menschen, resümieren die Forscherinnen.
Ähnliche Funktion wie beim Menschen?
Doch welche Funktionen könnte dieses Phänomen bei den Fledermäusen haben? Möglicherweise ähnliche wie beim Menschen, sagen Fernandez und Knörnschild. Es ist bekannt, dass die Großen Sackflügelfledermäuse in Kolonien mit einer komplexen Sozialstruktur leben und intensiv miteinander kommunizieren: Neben ihren Rufen zur Echoortung beim Fliegen geben sie auch viele unterschiedliche kommunikative Lautäußerungen von sich, die im Laufe der Kindheitsentwicklung erlernt werden.
Interessanterweise gibt es dabei bereits Hinweise darauf, dass ähnlich wie beim Menschen das Training der sozialen Lautäußerungen bei diesen Fledermäusen mit einer Art „Plappern“ verbunden ist. Wie die beiden Forscherinnen berichten, geht aus ihren Ergebnissen hervor, dass die Muttertiere ihre Motherese-ähnliche Vokalisation ertönen lassen, während die Jungtiere damit beschäftigt sind, Lautäußerungen „babbelnd“ zu üben. „Es wäre somit denkbar, dass diese Jungtier-gerichteten Lautäußerungen eine ähnliche Funktion haben wie die Motherese bei Kleinkindern: ein allgemeines positives Feedback für Jungtiere während ihrer Babbel-Übungen“, sagt Fernandez.
Quelle: Museum für Naturkunde – Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung, Fachartikel: Front. Ecol. Evol., doi: 10.3389/fevo.2020.00265
August 18, 2020 at 03:54PM
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